Zimmerit      #4

Die Judaswiege

DIN A4 116 Seiten

Auflage:         250 Exemplare

2.1995 1500

ISSN       0946‑5154

Michael Marrak

Weinbergstraße 25

72667  Schlaitdorf

Wie auch die vorherigen Bände, so hat auch dieser ein bestimmtes Thema. Es liegt nicht unbedingt in dem Folterinstrument, der "Judaswiege", zu tun, sondern vielmehr mit der Wahrheit (welche man ja nicht zuletzt durch dieses Instrument zu finden versucht) – jedoch auch der Wahrheit, die eigentlich zuviel des Guten für uns ist; mehr ist, als wir wissen dürfen. In diesem Sinne gibt es eine schön aufgemachte, besonders umfangreiche, und mit abwechslungsreichen Beiträgen versehene Nummer mit anspruchsvoller Unterhaltung.

Die graphischen Sachen sind in dieser Ausgabe eher Geschmackssache – einen professionellen Aspekt kann man jedoch bei allen erkennen.

Anfang und das Ende des Bandes ist jeweils der Anfang und das Ende der faszinierend fesselnden Geschichte Safari von Marianne Gruber enthalten – ein interessanter Schachzug, jedoch nicht sehr effektiv, wenn man die Geschichten in Reihenfolge liest. Epische Breite erreichen Michael Marrak und Agus Chuadar fast mit dem wie ein Theaterstück geschriebenen, skurril unterhaltenden und packend verfaßten Geschichte Der Weg der Engel – hier ist es wirklich adäquat gewesen, die nahezu sechzig Seiten in vier Parts aufzuteilen. Das Interview, welches Michael mit der österreichischen Schriftstellerin Marianne Gruber geführt hat, ist nicht nur informativ, sondern es bietet zudem noch einige Tiefen, die zum Nachdenken anregen. Die beiden Geschichten von Marianne Stunde der Krähen und Im Halbkreis der Dunkelheit zeigen schriftstellerisches Können, gewisse ausgeprägte Vorlieben und Ausdrucksweisen der Autorin und partiell eine düstere und mit kritisch christlichen Grundtönen versehene Stimmung. Robert Musa gibt ebenfalls recht kalte Zukunftsaussichten zum Besten – die Frau als Gebärmaschine in Entscheidung ohne Auswirkung auf den Tod regt doch zum Grübeln an. Der Collector vom Herausgeber tritt in die Fußstapfen von Lovecraft – kurz, skurril und voller merkwürdiger Ideen und Figuren. Cronnox ist die Bildergeschichte von Gerhard Junker und die schriftliche "Umsetzung" von Michael Marrak – der schriftliche Part vermag vielmehr zu überzeugen als die Zeichnungen. Hubert Heinzl weiß mit seiner theatralischen Erzählung Von Skeletten, Menschen und Kindern zu interessieren – nette Weltanschauung in einer leicht verwirrenden Verpackung. Die Harmonie der Welt hat Michael in den Worten eines Landstreichers gefunden – eine sehr lobenswerte, intelligente und – für die Leser – erbauliche Entscheidung, diese Verse zu veröffentlichen. Etwas verstörend ist die Zeichnungsgeschichte Intermission von Frans Stummer – nicht nur der Inhalt, sondern auch die Zeichenweise. Ein wenig wie Akte X klingt S.E.T.I. von Axel Kruse – er vermag dem Thema jedoch noch eine andere Seite und ein überraschendes Finale abzugewinnen.

Prädikat:           Abwechslungsreiche, anspruchsvolle und teils nachdenklich stimmende Geschichten – sehr zu empfehlende Sammlung !!!

© Heiko Henning

12.11.1996